Humphrey Bogart: eine Auswahl seiner besten Filme
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Inhaltsverzeichnis
- Stand-In (1937)
- The Roaring Twenties (1939)
- The Maltese Falcon (1941)
- Casablanca (1942)
- To Have and Have Not (1944)
- The Big Sleep (1946)
- Dead Reckoning (1947)
- Dark Passage (1947)
- Key Largo (1948)
- The Treasure of the Sierra Madre (1948)
- Knock on Any Door (1949)
- Tokyo Joe (1949)
- In a Lonely Place (1950)
- Sirocco (1951)
- The African Queen (1951)
- Deadline – U.S.A. (1952)
- Beat the Devil (1953)
- The Caine Mutiny (1954)
- Sabrina (1954)
- The Barefoot Contessa (1954)
- We’re No Angels (1955)
- The Left Hand of God (1955)
- The Desperate Hours (1955)
- The Harder They Fall (1956)
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Stand-In (1937)
Mr. Dodd geht nach Hollywood
Als Humphrey Bogart – heute der unvergessliche Titan des klassischen Hollywoodkinos – in ebenjener Ära des Studiosystems noch auf Nebenrollen abonniert war, da spielte er den Produktionsleiter eines Hollywoodstudios.
„But don’t forget, that in Hollywood when you turn the other cheek, they kick it“, gibt dieser Douglas Quintain einem New Yorker Banker (Leslie Howard) mit auf den Weg, der nun aus den ruinösen Colossal Pictures ein hochprofitables Unternehmen formen will, aber – im Unterschied zu seinem Mentor Quintain – keinen blassen Schimmer von den Mechanismen der kalifornischen Traumfabrik hat.
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The Roaring Twenties (1939)
Die wilden Zwanziger
Der Weltkriegsveteran, der nach seiner Rückkehr von der Westfront in die USA zum erfolgreichen Prohibitionsganoven avanciert und in all seiner Skrupellosigkeit nach dem Tod seiner beiden Kriegskameraden strebt – dieser George Hally steht beispielhaft für Bogarts Nebenrollen-Karriere in den Dreißigern, als er im Billing erst hinter großen Stars wie James Cagney genannt wurde, ehe er während des Zweiten Weltkrieges aus dem Meer der Mittelmäßigkeit auftauchte.
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The Maltese Falcon (1941)
Die Spur des Falken
Bogarts Sam Spade in „Die Spur des Falken“ ist so etwas wie der Archetyp des Noir-Protagonisten, des zynischen, hartgesottenen, doch prinzipienfesten private eye, der unter falschen Vorzeichen in einen amoralischen Nexus aus Mord, Täuschung und Gier verstrickt wird.
Mit dieser ikonischen Performance machte sich Bogart nicht nur unsterblich, sondern prägte auch den Hollywood-Privatdetektiv, der mit feinsinniger Raffinesse, wachen Instinkten und natürlich auch ein wenig Härte der Faust einen Verbrechenskomplex aufdeckt – nicht ohne dabei selbst seelisch zu Schaden zu kommen.
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Casablanca (1942)
Rick Blaine, der US-amerikanische Barbesitzer in der marokkanischen Metropole Casablanca, der innerlich im Liebeskummer ertrinkt, als Ilsa Lund (Ingrid Bergman) zum Hintergrundrauschen der kurz bevorstehenden Nazi-Okkupation seine Bar betritt, ein qualvolles Wiedersehen nach einem Jahr.
Mit „Die Spur des Falken“ hatte Bogart an der Geburt eines Filmklassikers entscheidenden Anteil getragen – und mit „Casablanca“ kurz darauf gleich ein zweites Mal. Wie der Schnüffler Sam Spade war auch der Nachtklubbesitzer Rick Blaine eine typische Bogart-Figur – die mit ihrer geradezu unverschämten Gelassenheit in einem sprengstoffgeladenen Umfeld zu beeindrucken wusste.
In „Casablanca“ sprach Bogart (in der deutschen Version) Zeilen, die zu geflügelten Worten gerieten – „Ich seh dir in die Augen, Kleines“, „Uns bleibt immer Paris“ oder: „Ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“. Und wie vielleicht sonst nur Michel Piccoli verwandelte Bogart die Zigarette in eine fünfte Extremität.
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To Have and Have Not (1944)
Haben und Nichthaben
Steve und Slim, die Spitznamen von Humphrey Bogarts und Lauren Bacalls Charakteren, wurde durch „Haben und Nichthaben“ zum Synonym für eine romantische Coolness, wie sie bis dahin auf der Leinwand noch nicht zu sehen war. Wie Bacall, die unbekannte Newcomerin, und Bogart, der alte Leinwandhase, sich hier die Blicke zuwerfen, mit Zigaretten und Drinks kommunizieren, das war unsichtbarer Eros par excellence – und auch hinter den Kulissen der Beginn einer von Hollywoods größten Liebesgeschichten.
Bogart spielt den Glücksritter Harry Morgan, der mit seinem treuen Gefährten Eddie (Walter Brennan) und seinem kleinen Boot mitten im Zweiten Weltkrieg einen französischen Widerstandsführer aus der französischen Kolonie Martinique rausbringen soll – eine der Bogart-Rollen, in denen sich unter dem Einfluss der moralisch richtigen Entscheidung ein weicher Kern im harten Kerl offenbart.
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The Big Sleep (1946)
Tote schlafen fest
Mit Philip Marlowe aus der Feder von Raymond Chandler spielte Bogart nach Sam Spade aus „Die Spur des Falken“ den zweiten der vielleicht bekanntesten hardboiled Detectives der Filmgeschichte.
In der Manier des pfiffigen Einzelkämpfers, der (fast) alles durchschaut und antizipiert, jagt Bogart hier in formvollendeten Noir-Posen der Wahrheit hinter einem dichten Netz aus Lügen hinterher, um die Fehltritte zweier Töchter aus reichem Hause zu vertuschen. Marlowe ist allein schon wegen seiner Marotte menschlich, sich ständig am Ohrläppchen zu zupfen, wenn er nachdenkt. Der Film, die Rolle: All das wirkt wie das natürliche Hollywood-Habitat des Humphrey Bogart.
Die um ein Familienproblem, das Marlowe für einen siechen Patriarchen in größtmöglicher Diskretion lösen soll, kreisende Geschichte verwirrt nicht nur bis heute das Publikum, sondern wurde auch am Set von kaum einem verstanden und spielt für den Streifen keine Rolle – denn „The Big Sleep“ diente am Ende einzig und allein zur Ausbeutung des neuen Leinwandpaars Bogart–Bacall, das während der Dreharbeiten endgültig zum echten Paar wurde.
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Dead Reckoning (1947)
Späte Sühne/Ein Mensch verschwindet
Für den Film noir „Dead Reckoning“ borgte sich Columbia den heimlichen Noir-König Bogart von den Warner Bros. aus – er spielt Captain Rip Murdock, einen heimgekehrten Kriegsveteranen, der das Verschwinden seines Kameraden und Freundes Johnny Drake (William Prince) aufklären will und – ganz noir-typisch, ganz Bogart-konform – in eine düstere Angelegenheit hineingerät.
Bogart/Murdock erzählt die Haupthandlung als Rückblick aus dem Off. Alle trickst er sie aus, lediglich sein Hang zum Romantiker ist eine Schwachstelle, die ihn (fast) zu Fall bringt. Der Offizier Murdock ist eine hardboiled-Figur, fast wie einer von Bogarts Privatdetektiven mit ihrer nihilistischen Nonchalance, die sie durch jede noch so trübe Gesellschaftspfütze waten lässt. Aber er spielt ihn hier so frisch, dass man sich daran kaum sattsehen kann.
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Dark Passage (1947)
Die schwarze Natter
Im ersten Teil von „Dark Passage“ hört man nur seine Stimme, aber sieht nie sein Gesicht – man erlebt die Handlung aus der Ich-Perspektive. Im zweiten Teil trägt Bogart dann ein bandagiertes Gesicht – und daran merkt man, wie markant sein Kopf ist, der jedem halbwegs informierten Cineasten auch noch unter dem Verband sofort offenbar wird.
Erst im Schlussteil enthüllt die Handlung den gesamten Bogart, der dann fast wie Sam Spade in „Die Spur des Falken“ aussieht – hier aber spielt der Star einen flüchtigen Knastausbrecher, Vincent Parry, einen unschuldig Verurteilten, der untertauchen will und sich dafür sogar einer Gesichtsoperation unterzieht.
Aber natürlich geht es in dem Film eigentlich nur um die Beziehung zu Lauren Bacalls Figur, Irene Jansen, um Szenen, die uns wieder großartige, unnachahmliche Bogart–Bacall-Momente bescheren. Beim Dreh machte zunehmender Haarausfall (aus Stress und Mangel, wie sich später herausstellte) Bogart zu schaffen, am Ende setzte er sich sogar panisch eine Perücke auf.
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Key Largo (1948)
Gangster in Key Largo
Und wieder ein Bogart–Bacall-Film, dieses Mal ihr letzter: Frank McCloud ist auf der Durchreise und will eigentlich bloß die Angehörigen seines gefallenen Kriegskameraden treffen, da verliebt er sich in dessen Witwe und Gangster nehmen urplötzlich das ganze Hotel, in dem sie sich befinden, als Geisel.
In „Key Largo“ – Regisseur war Bogarts Freund John Huston, unter dessen Regie er in „Die Spur des Falken“ am Anfang des Jahrzehnts zum Star avanciert war – spielt Bogart einen abgeklärten Kriegsveteranen, der dem Pistolen-schwingenden Narziss Johnny Rocco (Edward G. Robinson) Einhalt gebieten muss. Ein letztes Mal breitet sich die magische Bogart–Bacall-Romantik über der Leinwand aus; das mittlerweile echte Ehepaar kommuniziert teils nur über Blicke; Bogart fuhrwerkt an der Küste Floridas hemdsärmelig auf einem Boot herum, Bacall wirft ihm vom Pier ein zärtliches Lächeln zu – fast so wie an der kalifornischen Küste im wirklichen Leben der Bogarts.
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The Treasure of the Sierra Madre (1948)
Der Schatz der Sierra Madre
Dobbs, ein drifter in Mexiko, der sich bei US-amerikanischen Landsleuten Geld schnorrt, doch müde vom Betteln und dreckigen Gelegenheitsjobs ist. Er schließt sich mit zwei anderen Glücksjägern zusammen, um gemeinsam in den Bergen nach Gold zu suchen. Als sie dann tatsächlich fündig werden, entwickelt Dobbs eine so niederträchtige Paranoia, die alles Erreichte gefährdet, dass der von Goldgier infizierte Dobbs einer der fiesesten, rücksichtslosesten Kerle ist, die Bogart je gespielt hat.
Der sonst so stoisch-coole Bogart, zu dessen Kostümierung eine Perücke gehörte, legt seiner Figur bei deren Metamorphose vom halbwegs umgänglichen Abenteurer zum tödlichen Wahnsinnigen ein fahriges Misstrauen in das selbst noch in Schwarz-Weiß infernalisch ausgeleuchtete Gesicht – die Show stahl ihm indes der alte Walter Huston, der sich noch kurz vor seinem Tod einen Oscar als Bester Hauptdarsteller erspielte.
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Knock on Any Door (1949)
Vor verschlossenen Türen
Im ersten Film für seine neue Firma Santana Productions spielte Bogart, während er mit Ende vierzig die Geburt seines ersten Kindes abwartete und unter der Regie seines Kumpels Nicholas Ray, einen Noir–Juristen, der vor Gericht mit seiner Anwaltsraffinesse die Zeugen auseinandernimmt und nötigenfalls mit dem Effet seiner Straßenherkunft auch mal einen aufmüpfigen Klienten in der Hintergasse vermöbelt.
Andrew Morton ist ein aus der Unterschicht emporgekletterter Anwalt, der sich aus schlechtem Gewissen eines schwierigen Falles annimmt, des unter Mordverdacht stehenden Nick Romano (John Derek). Im Gerichtssaal agiert Morton so gerissen wie sonst Bogarts Privatdetektive in den Straßen.
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Tokyo Joe (1949)
Tokio-Joe
In „Tokyo Joe“ spielte Humphrey Bogart die Hauptrolle im ersten US-amerikanischen Film, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan, dem Land des heimtückischen Ex-Feindes, gedreht werden durfte.
Bogart ist hier der ehemalige Oberstleutnant Joseph Barrett, der wieder seinen alten Nachtklub in Betrieb nehmen will, den er einst vor dem Krieg besaß, in welchem er selbst gegen die Japaner kämpfte. Außerdem stößt der Ex-Offizier in Tokio auf seine totgeglaubte Ex-Frau (Florence Marly).
Gelegentlich – so auch in seiner allerersten Szene – spricht Bogart Japanisch; on location wurde der reisescheue Star allerdings von GIs gedoubelt, die mit Bogarts unverwechselbarer Trenchcoat-Fedora-Kombination durch die Stadt liefen und dabei stets nur von hinten zu sehen sind, während Bogart der japanischen Bevölkerung nur vor Rückprojektionen begegnet.
Während der Film vorherigen Bogart-Werken nicht das Wasser reichen kann, sind seine Grabesblicke und -haltung, als der neue Ehemann seiner Ex-Frau, seiner nach wie vor großen Liebe, nach Hause kommt, großartig. Und wie stets lässt sich Bogart mit miesen Typen ein, um ein halblegales, moralisch aber weitaus weniger verachtenswertes Business zu etablieren. Barretts Unsicherheit auf der Leinwand im Umgang mit seiner Tochter schien Bogarts unbehaglichem Umgang mit Kindern im echten Leben nahezukommen.
Interessant (Spoiler-Warnung): Bogies Charakter in „Tokyo Joe“ ist nach Bogart-Standards jener Jahre letztlich ein Loser. Zwar entreißt der Veteran seine kleine Tochter den Gangsterklauen, doch verliert er seine große Liebe (an einen anderen) und seinen besten Freund (an den Harakiri-Tod), ehe er schließlich an seinen Schusswunden verstirbt (was das letzte Ausblenden zumindest suggeriert).
„Tokyo Joe“ zeigt, wie sehr Bogart die Rolle des US-amerikanischen Glücksjägers in anderen Teilen der Welt, wo Besatzungsbehörden oder Gangster herrschten, inzwischen raffiniert, wie er Fedora, Trenchcoat oder Fliegerjacke als habituelle Wesensmerkmale dieser Figur durchgesetzt, wie er einen Goldstandard des Noir–Abenteurers definiert hatte.
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In a Lonely Place (1950)
Ein einsamer Ort
Dixon Steele schlägt schneller zu, als ihn sein Gegenüber beleidigen kann. Dabei ist der Drehbuchautor eigentlich eine feingeistige Seele, nach vielen Jahren in der eigenwilligen Hollywood-Community jedoch mit viel Zynismus und aufgestauter Aggressivität geladen. Plötzlich steht Steele unter Mordverdacht – und weder wir als Zuschauer noch sein Agent und seine große Liebe wissen mit Sicherheit, ob er (un-)schuldig ist.
Wieder einmal legt der Star seinen Kopf in den berühmten Bogart-Winkel, bei dem er eine Zigarette schief nach unten und die Augen nach oben richtet. Aus dem Minimalismus seines außergewöhnlichen Gesichts zaubert er einen ungeahnten Facettenreichtum: den unberechenbaren Schläger, dem man umstandslos einen Mord zutraut; den coolen, abgeklärten Showbusiness-Menschen; den sensiblen, fürsorglichen Liebhaber – einen Mann des Geistes und der Faust, Psyche und Physis als sich abwechselnde Schwerpunkte.
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Sirocco (1951)
Sirocco – Zwischen Kairo und Damaskus
„You’re so ugly. Yes, you are. How can a man so ugly be so handsome?“ Dass so etwas einem (nicht uneitlen) Star à la Bogart auf der Leinwand gesagt werden durfte, war im strengen Studiosystem der klassischen Hollywoodära keineswegs selbstverständlich. In „Sirocco“ knüpft Bogart an den abgeklärten Charme und die hartgesottene Ruchlosigkeit seiner großen Rollen der Vorjahre an: an den Nachtklubbesitzer Rick Blaine aus „Casablanca“ (1942) und den (unfreiwilligen Menschen-)Schmuggler Harry Morgan aus „Haben und Nichthaben“ (1944).
In „Sirocco“ ist Bogart wieder ein Schmuggel-Harry, diesmal mit Nachnamen Smith. Im Damaskus des Jahres 1925 wütet ein brutaler Freiheitskampf der Syrer gegen die französische Militärmacht – und Smith beliefert die Untergrundkämpfer mit Waffen; ein Kriegsprofiteur, der nur an Geld glaubt, bald aber unter all den Geldgeiern der Stadt die Moral entdeckt. In den Szenen mit der Schwedin Märta Torén spielt der Trenchcoat-Routinier Bogart seine Noir–Flirt-Coolness aus.
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The African Queen (1951)
African Queen
Ausgerechnet für eine feinfühlige Liebesgeschichte (wenn auch in abenteuerlich harter Umgebung), nicht für seine archetypischen Privatdetektive und Draufgänger, erhielt Humphrey Bogart seinen Oscar.
„The African Queen“ zeigt ihn – erstmals in Farbe – als abgehalfterten Bootskapitän Charlie Allnutt, der mit der Missionarin Rose Sayer (Katharine Hepburn) in Afrika in die Wirren des beginnenden Ersten Weltkrieges gerät und mit seinem alten Kutter einen schier endlosen Fluss hinabschippert – am Ende wollen sie in patriotischem Enthusiasmus ein deutsches Kriegsschiff versenken.
„The African Queen“ ist einer der wenigen Filme, für die Bogart längere Zeit Los Angeles verließ – und wie zuvor bei „The Treasure of the Sierra Madre“ (1948) und später bei „Beat the Devil“ (1953) wusste ihn dazu wohl nur John Huston zu überreden. Bei den strapaziösen Dreharbeiten fernab der Zivilisation gingen unangenehme Krankheiten am Set um – fast alle erwischte es, nur Bogart und Huston nicht, die sich im Dschungel an reichlich Whiskey hielten.
Bogarts unrasierter, schmutziger Alkoholiker ist ein müder Haudegen, ein Loner, dem seine Passagierin mühsam eine ungeahnte Liebenswürdigkeit entlockt. Fast wie ein Method-Actor marodiert der streckenweise vollbärtige Bogart in seinen durchgeschwitzten, verdreckten Klamotten, die er kein einziges Mal wechselt, durch den Film – lediglich sein Gesicht, als die radikale Abstinenzlerin seine Gin-Reserven in den Fluss kippt, scheint nicht gespielt zu sein.
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Deadline – U.S.A. (1952)
Die Maske runter!
Als idealistischer Chefredakteur des The Day – einer Tageszeitung, welche die Erben des Gründers gerade für eine bessere Rendite ihres Vermögens verkaufen wollen – kämpft Bogart mit der Gloriole des frischgebackenen Oscarpreisträgers als Ed Hutcheson für die Pressefreiheit und die demokratische Befähigung der Bevölkerung durch kritischen Journalismus.
Hutcheson ist ein genialer Blattmacher, der mehr mit seiner Zeitung verheiratet ist, als er dies jemals mit seiner Ex-Frau (Kim Hunter) war, und ein unbestechlicher Journalist, der sich mit einem Gangsterboss anlegt, den er in aller Öffentlichkeit seiner Machenschaften überführen will – Bogart als Sprachrohr eines pathetischen Plädoyers für die US-amerikanische Presse.
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Beat the Devil (1953)
Schach dem Teufel
Billy Dannreuther, der an der italienischen Küste auf die Abfahrt eines Dampfers gen Afrika wartet, gehört einer Gruppe dubioser Glücksritter an, von denen er noch den meisten moralischen Anstand besitzt.
Bogart, der den Film mit seiner Firma Santana Pictures ko-produzierte, hatte sich abermals von John Huston zu einem Auslandsdreh breitschlagen lassen – nachdem der Regisseur ihm am Telefon aus dem Roman eines Ex-Kommunisten vorlas, auf dem der spätere Film basieren würde. Dafür nahm Bogart sogar in Kauf, seine Familie nicht zu sehen und die Taufe der beiden Kinder zu verpassen – die drei Monate waren die erste längere räumliche Trennung von Bacall, die selbst drehte („How to Marry a Millionaire“, 1953).
Die Close-ups zu Beginn zeigen uns einen authentischen, ungeschminkten Bogart, mit schweren Tränensäcken und faltiger Gesichtshaut, wie sie die größeren Studioproduktionen jener Kinoepoche bei einem Star von Bogart’schem Format wohl niemals auf der Leinwand entblößt hätten.
Der seinerzeit an den Kinokassen gescheiterte „Beat the Devil“ erlangte mit der Zeit Kultstatus, ja gilt mithin als der Vater aller Kultfilme und zeigt eine Figur, die dem echten Bogart wohl näherkam, als die meisten seiner übrigen Rollen.
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The Caine Mutiny (1954)
Die Caine war ihr Schicksal
Als sich Maurice Micklewhite in einer Telefonzelle am Leicester Square flugs für einen neuen Künstlernamen entscheiden musste, da sein bisheriger Stage name Michael Scott vergeben war, da erblickte er auf einer der zahlreichen Kinotafeln den neuen Film seines Idols Bogart, nach dem er sich nun Michael Caine nannte.
In „The Caine Mutiny“ ist Caines Leinwandheld Bogart ein US-amerikanischer Schiffskapitän im Zweiten Weltkrieg, der mit seiner Psychose das Leben der gesamten Besatzung gefährdet.
Captain Philip Francis Queeg übernimmt das Kommando eines Minenräumers im Pazifik, das Schiff ramponiert, die Besatzung gebeutelt. Der erfahrene Berufsoffizier Queeg – fest entschlossen, alles „by the book“ zu machen, also minutiös nach dem Marine-Kodex zu verfahren – entpuppt sich als paranoider Neurotiker, der überall gegen ihn gerichtete Feindseligkeit und Intrigen wittert, Lappalien zur Eskalation treibt und am Ende das Leben seiner Crew gefährdet.
Bogart spielt den kaputten Kommandanten, der sich in einer Szene mit fast schon berührender Hilflosigkeit seinen Offizieren zuwendet, um kurz darauf wieder zum cholerischen Despoten zu mutieren, als tragische Figur; in seinen nervösen Phasen kramt er eine Handvoll Murmeln hervor, die er dann hektisch mit seinen Fingern bewegt; Triumphgesten wechseln sich ab mit angsterstarrten Ohnmachtsmimiken.
Zähneknirschend hatte Bogart eine geringere Gage akzeptiert, als sein Star-Status eigentlich gebührte, weil er die Rolle unbedingt spielen wollte – als Bonus gab es eine dritte Oscarnominierung.
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Sabrina (1954)
Die Hutkrempe kann eine ganz andere Figur formen: Denn in einer Szene wird die Krempe des Homburg leicht nach unten geklappt und mit einem Mal aus dem seriösen Spross einer steinreichen Ostküstenfamilie für einen kurzen Moment eine Noir-Figur, wie sie Bogart ja gleich mehrmals mit einer so unvergesslichen Natürlichkeit verkörpert hat.
Überhaupt könnte Bogart aus diesem Film umstandslos herausgeschnitten und in einen seiner Noirs montiert werden – niemand würde einen Unterschied bemerken. Regisseur Billy Wilder hatte sich für die Rolle eigentlich Cary Grant gewünscht. Linus Larrabee, der asketische Magnat, Kopf eines globalen Multimillionen-Dollar-Unternehmens, der mit einem Anruf ganze Schiffsflotten in Bewegung und Märkte in Panik versetzen kann.
(Spoiler-Warnung:) Als sein Bruder David (William Holden) sich in die Chauffeurstochter Sabrina (Audrey Hepburn) verguckt, tritt Linus mit einer zarten Intrige dazwischen und gewinnt Sabrinas Herz, damit David die ihm bestimmte Tochter eines Konzernchefs ehelichen kann.
Diesen skrupellosen Zug des tiefernsten Geschäftsmannes als Bestandteil eines fulminanten Joint Venture, dessen Mastermind Linus Larrabee ist, kauft man Bogarts Performance sofort ab; aber das Erstaunliche ist, dass dies auch für das Folgende gilt: Denn Linus, der verkappte Romantiker, verliebt sich seinerseits in Sabrina. Und in Bogarts düsterem Gesicht ist ja auch immer so viel Helligkeit, wie sie die erfreulichen Charakterzüge seiner Figuren voraussetzen – wenige Millimeter Augenbrauenbewegung reichen dazu aus.
Der frischgebackene Oscargewinner Bogart hatte an dem Film kaum Spaß. Wenn Regisseur Billy Wilder, Audrey Hepburn und William Holden in der Garderobe ihre Köpfe zusammensteckten, fühlte er sich ausgegrenzt; Wilders Regie missfiel ihm, die beiden verstanden sich ganz und gar nicht; und außerdem hatte der Noir-Held Bogart Angst, neben dem Playboy Holden auf der Leinwand als Loser-Typ dazustehen.
Im vierzig Jahre später gedrehten Remake von 1995 spielt Harrison Ford Bogarts Rolle.
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The Barefoot Contessa (1954)
Die barfüßige Gräfin
Bogart im heftigen Regen auf einem Friedhof, ohne Schirm, aber mit Trenchcoat (und in Farbe), im Verlauf des Films irgendwann völlig durchnässt. Aus dem Off erzählt Harry Dawes mehrfach in „The Barefoot Contessa“ die Ereignisse, die zum rätselhaften Begräbnis geführt haben.
Dawes ist ein gescheiterter Regisseur und Drehbuchautor, trockener Alkoholiker, den in Hollywood seiner Trinkausfälle wegen längst niemand mehr engagiert, weshalb er seinem neuen Arbeitgeber, dem Multimillionen-Dollar-Erben Kirk Edwards (Warren Stevens) – eine Anspielung an den Multimillionen-Dollar-Erben und Produzenten Howard Hughes –, und dessen plutokratischen Launen ausgeliefert ist.
Dawes hat die geschliffensten Sprüche im Film, ein Weiser unter Abenteurern; und er wird zum vertrauten des neuen Stars, Maria D’Amato (Ava Gardner).
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We’re No Angels (1955)
Wir sind keine Engel
Als Joseph, einer von drei ausgebrochenen Häftlingen auf der Teufelsinsel in Französisch-Guyana, Ende des 19. Jahrhunderts, spielt Bogart in „We’re No Angels“ eine seiner seltenen Komödienrollen – obendrein auch noch in einem Weihnachtsfilm. Und als wäre all das nicht genug, singt er auch noch im Chor mit seinen beiden Komplizen ein Ständchen.
Der in Lumpen gekleidete Kriminelle ist ein begnadeter Manipulant von Geschäftsbüchern und gerissener Verkäufer, der sogar einem kahlköpfigen Kunden ein Kamm- und Bürstenset andreht.
Dass damals neben Bogarts Betrüger ein Vergewaltiger und ein Mörder als Filmhelden taugten, ändert nichts daran, dass die launige Theaterverfilmung in der Erinnerung vieler Menschen als einer der schönsten Weihnachtsfilme gealtert ist.
Anders als kurz darauf in „The Desperate Hours“ (1955) mündet sein Neid auf das Familienglück nicht in Hass, sondern in Liebe. Denn Joseph trägt sein Herz am rechten Fleck – statt eine Kaufmannsfamilie auszurauben (und vielleicht sogar zu meucheln), verhilft er gemeinsam mit seinen beiden Kompagnons (Peter Ustinov und Aldo Ray) den Ducotels zu noch größerem Glück.
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The Left Hand of God (1955)
Die linke Hand Gottes
In „Die linke Hand Gottes“ wandelt Bogart im Jahr 1944 durch ein Matte painting–Asien, das hundertmal authentischer wirkt als das Gros vieler Studioproduktionen jener Zeit. Im schwarzen Gewand des Priesters O’Shea taucht er als rätselhafter Mann in einer entlegenen katholischen Mission unter, segnet sich in die Herzen der Dorfbewohner:innen und spielt mit einem chinesischen Warlord ein Crap game um das Schicksal seiner Gemeinde.
Bogart spricht chinesisch (in einer Predigt) und singt inmitten einer Kindermeute im Duett mit Gene Tierney – eine Performance, in der er als Zentrum eines kurzweiligen Abenteuerdramas seine rhetorische und physische Schlagfertigkeit charmant zu kombinieren versteht.
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The Desperate Hours (1955)
An einem Tag wie jeder andere
Für alle, die sie sie bis dahin noch nicht begriffen hatten (und auch für die Nachwelt) verdeutlichte der Antagonist in „The Desperate Hours“ die Spannweite von Humphrey Bogarts Schauspielkunst: Glenn Griffin, der gemeingefährliche Ausbrecher, der auf seiner Flucht mit seinen beiden Komplizen eine ganze Familie als Geisel nimmt und an den sich im Remake von 1990 nur ein begnadeter Leinwandpsychopath wie Mickey Rourke herantraute.
Mit einer geradezu sadistischen Lust zertrümmert Bogarts flüchtiger Krimineller die Vorstadtfamilienidylle der Hilliards, deren arrivierte Bürgerlichkeit er lustvoll tyrannisiert – weil sie das Leben führen, das ihm und anderen Verbrechern von der Gesellschaft verwehrt worden ist.
Bogies umstandslose Transformation von der bis dahin aus so vielen Filmen vertrauten Noir–Eleganz, von der unverschämt coolen Zurückhaltung, zur moralisch verwahrlosten Banditenschäbigkeit. Bogart agiert hier, als ob er jeden einzelnen Augenblick dieser fiesen Rolle genießen würde.
Und Bogarts Bereitschaft, einen mörderischen Fiesling à la Griffin zu spielen, zeigt außerdem, wie er sich selbst noch als Star nicht zu schade für eine Rolle war, in der er unter anderem eine Pistole an den Kopf eines kleinen Jungen drückt.
„The Desperate Hours“ wurde noch weitere Male verfilmt: 1967 als Fernsehfilm (mit George Segal in Bogarts Rolle) und 1990 mit Mickey Rourke als Bogart-Nachfolger.
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The Harder They Fall (1956)
Schmutziger Lorbeer
Eddie Willis von seinen Jahrzehnten als Sportjournalist aufgerieben und anscheinend ein für alle Mal gescheitert, lässt sich von dem schmierigen Boxpromoter Nick Benko (Rod Steiger) als PR-Agent engagieren – um einen naiven Amateur (Mike Lane) zum unbesiegbaren Boxchampion hochzuschreiben und endlich das große Geld zu verdienen.
Der Spindoktor, der seinem Schützling einen massenmedientauglichen Lebenslauf andichtet, beweist am Ende trotzdem, das sein Herz am rechten Fleck schlägt. In seinem letzten Film manifestiert Bogart in seinem Gesicht vor allem die Erschrockenheit des Eddie Willis über sich selbst, der schnöden Geldgier viel zu lange als Komplize gedient zu haben.
Vermutlich schon geplagt von den Schmerzen seiner tödlichen Erkrankung spielte Bogart seine letzte Rolle. Im Wissen darum meint man manchmal die Agonie in seinem Blick, seiner Mimik zu erkennen. Und als wollte Bogart für die Ewigkeit eine persönliche Signatur in die Leinwand brennen, hat er gleich in seiner ersten Szene (der Film ist da in seiner dritten Spielminute) eine Zigarette im Mundwinkel hängen.
TextRobert Lorenz
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